Ein zentrales Anliegen der Schule besteht darin, die Kommunikationsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern zu fördern. Für den Mathematikunterricht bedeutet dies, nicht nur mathematische Fertigkeiten „im Stillen“ einzuüben, sondern über Mathematik zu sprechen. Insbesondere rücken das Beschreiben mathematischer Tätigkeiten und das Begründen mathematischer Aussagen in den Vordergrund. Hierdurch bietet sich die Chance, dass die Kinder Mathematik, anders als viele Erwachsene, nicht als undurchsichtige Ansammlung verschiedener Formeln und Algorithmen erfahren. Durch die Thematisierung und Diskussion unterschiedlicher Beschreibungen und Begründungen im Mathematikunterricht kann man der Entwicklung isolierter „mathematischer Wissensinseln“ entgegenwirken: Es gibt verschiedene mathematische Zugänge zur Lösung von Problemen. Erst durch deren Vernetzung können sich die Schüler ein differenziertes Bild von Mathematik machen und ihr mathematisches Verständnis vertiefen. Derartige Gespräche sind allerdings im Mathematikunterricht auch mit Schwierigkeiten behaftet: Verstehen wir die Beschreibungen der Kinder so, wie sie es meinen? Können wir die oftmals nur knapp formulierten Begründungsansätze als „richtige mathematische“ Begründungen akzeptieren? Welche Situationen und Lernumgebungen eignen sich, um die Fähigkeit des Begründens und des Beschreibens zu fördern und welche sind dazu eher ungeeignet? Über die Chancen und Schwierigkeiten von Beschreibungs- und Begründungsprozessen im Mathematikunterricht verschiedener Schuljahre soll in Vorträgen und Workshops diskutiert werden.
Aktuelles Programm
Eröffnungsvortrag
Prof. Dr. Christoph Selter (PH Heidelberg)
Von den Kindern über ihr Rechnen lernen
Workshops
Linda Anders und Katja Roßmann (Grundschule Westenfeld, Bochum)
Kinder beschreiben und begründen Auffälligkeiten am Streichquadrat – Erfahrungen aus unterrichtspraktischer Sicht
Klaus-Ulrich Guder (Universität Dortmund)
"Spickzettel" für geometrische Grundbegriffe (Klasse 3 & 4 [1 & 2])
Prof. Dr. Gerhard N. Müller (Universität Dortmund)
Anregungen zum Argumentieren und Begründen
Dr. Martina Röhr (Marienborn-Grundschule, Dortmund)
Probieren und systematisches Verändern - Lösungsstrategien (nicht nur) für die Grundschule
Ulrich Schwätzer (Albrecht-Brinkmann-Grundschule, Dortmund)
Zahlentreppen - Drittklässler erkunden ein arithmetisch substantielles Problemfeld
Prof. Dr. Heinz Steinbring (Universität Dortmund)
Wie Grundschulkinder mit eigenen Worten allgemeine Begründungen entwickeln – Beispiele anhand produktiver Übungen (Klasse 3 & 4)
Anja und Silke Trümper (Universität Dortmund)
Mit Rechendreiecken mathematisches Denken entwickeln
Frau van Arssen (Düsseldorf)
Zahlenmauern
Prof. Dr. Jörg Voigt (Universität Münster) / Dr. Ralph Schwarzkopf (Universität Dortmund)
Begründen im Mathematikunterricht (Klasse 3 & 4)
Prof. Dr. Dr. Erich Ch. Wittmann (Universität Dortmund)
Analyse eines Videodokuments über “Immer 5 Zahlen” (Zahlenbuch 4, Seite 85)
Abschlussvortrag
Prof. Dr. Peter Gallin (Kantonssschule Zürcher Oberland und Universität Zürich)
Dialogisches Lernen im Mathematikunterricht
Hauptvorträge
Von den Kindern über ihr Rechnen lernen
Prof. Dr. Christoph Selter, PH Heidelberg
Als wichtiges Ziel für die Schüler(innen) gilt bekanntlich, dass sie lernen sollen, ihre eigenen Gedanken zu mathematischen Sachverhalten immer klarer und strukturierter auszudrücken. Ein zentrales Ziel für die Lehrer(innen) und Didaktiker(innen) sollte ganz analog darin bestehen, diese Darstellungen zunehmend differenzierter verstehen und reflektierter einordnen zu können. Der Vortrag beschreibt in diesem Sinne, wie und vor allem was wir von den Kindern aus ihren Beschreibungen und Begründungen über ihr Rechnen lernen können.
Dialogisches Lernen im Mathematikunterricht
Prof. Dr. Peter Gallin, Kantonssschule Zürcher Oberland und Universität Zürich
Das Gleichgewicht von Rezeption und Produktion ist für ein wirksames Lernen in allen Fächern unabdingbar. Nun werden die Lernenden aber gerade im Mathematikunterricht mit seiner perfektionierten Wissensvermittlung zu solch ungeheuren rezeptiven Anstrengungen verpflichtet, dass für produktives Forschen kaum mehr Raum und Gelegenheit bleibt. Durch Bündelung des vom Lehrplan vorgegebenen Stoffs in Form von Kernideen und durch Aufwertung der unvollkommenen, aber authentischen Schülertexte im Reisetagebuch gelingt es, der singulären Produktivität das notwendige Gewicht zu verleihen und die Lernenden in fachbezogene Dialoge zu verwickeln. Das schafft nicht nur größere Befriedigung im Umgang mit Mathematik, sondern erhöht auch die Kompetenz des flexiblen und eigenständigen Einsatzes mathematischer Werkzeuge.
Workshops
Kinder beschreiben und begründen Auffälligkeiten am Streichquadrat – Erfahrungen aus unterrichtspraktischer Sicht
Linda Anders und Katja Roßmann, Grundschule Westenfeld, Bochum
"Die Kinder meiner Klasse sind mit mathematischen Begründungen völlig überfordert!" Wenn die Forderung nach Beschreibungen und Begründungen für die Grundschule gestellt wird, hört man häufig diesen Einwand. Dabei wird mathematisches Begründen mit abstrakten Formeln und formalen Schlussfolgerungen gleich gesetzt. Demgegenüber verstehen wir unter Begründen in der Grundschule ein inhaltliches Argumentieren im Rahmen der gegebenen, mathematischen, produktiven Übungen. Am Beispiel einer dokumentierten Unterrichtsreihe zum Thema Streichquadrate sollen Szenen mit einer so verstandenen inhaltlichen Begründung vorgestellt, diskutiert und analysiert werden.
"Spickzettel" für geometrische Grundbegriffe (Klasse 3 & 4 [1 & 2])
Klaus-Ulrich Guder, Universität Dortmund
Ein Arbeitsmittel, und das sich für den Geometrieunterricht hervorragend eignet (und sehr preiswert ist), sind quadratische Zettel aus dem "Zettelkasten". Dieser Vortrag baut auf Ideen von H. Steibl in seiner "Geometrie aus dem Zettelkasten" auf und stellt vielfältige Möglichkeiten vor, geometrische Grundbegriffe anhand von Faltungen dieser Zettel zu erfahren. Das quadratische Papier kann quasi als "Spickzettel" dienen. Die Faltvorgänge geben ferner Anlass, die eigenen Handlungen zu beschreiben und so den Mitschülern das eigene Vorgehen zugänglich zu machen. Erkenntnisse, beispielsweise über die Flächenverhältnisse in Faltfiguren, können durch die Faltungen begründet werden.
Anregungen zum Argumentieren und Begründen
Prof. Dr. Gerhard N. Müller, Universität Dortmund
Das neue Zahlenbuch bietet sowohl in der Arithmetik als auch im Sachrechnen noch mehr Gelegenheit eigene Entdeckungen und Rechnungen zu begründen. In der Arbeitsgruppe sollen hierzu Beispiele aus dem 3. und 4. Schuljahr vorgestellt werden.
Probieren und systematisches Verändern – Lösungsstrategien (nicht nur) für die Grundschule
Dr. Martina Röhr, Marienborn-Grundschule, Dortmund
An Aufgabenbeispielen für das 1. – 4. Schuljahr soll gezeigt werden, wie durch Probieren und systematisches Verändern die Rechenfähigkeiten, insbesondere die Einsicht in mathematische Zusammenhänge gefördert werden können.
Zahlentreppen - Drittklässler erkunden ein arithmetisch substantielles Problemfeld
Ulrich Schwätzer, Albrecht-Brinkmann-Grundschule, Dortmund
Zahlentreppen bieten in der Grundschule ein reichhaltiges Spektrum mathematischer Aktivitäten. In Klasse 3 etwa kann ihr Zusammenhang mit dem Einmaleins thematisiert werden, z.B. wie und warum man 1+3+5+7+9 einfach über 5 · 5 = 25 berechnen kann. Eigenproduktionen zu diesem Thema geben den SchülerInnen die Möglichkeit, reichhaltig zu argumentieren und zu begründen.
Wie Grundschulkinder mit eigenen Worten allgemeine Begründungen entwickeln – Beispiele anhand produktiver Übungen (Klasse 3 & 4)
Prof. Dr. Heinz Steinbring, Universität Dortmund
Die Entwicklung und Begründung neuen mathematischen Wissens ist in der Grundschule an die situativen Lern– und Erfahrungskontexte der Kinder gebunden. Auf der Grundlage von ausge-wählten, typischen Episoden (Videodokumentierte und verschriftlichte Unterrichtsszenen) werden die besonderen konkreten, situativen Bedin-gungen zur Beschreibung und verallgemeinernden Begründung des mathematischen Wissens vorgestellt. Man kann dabei beobachten, dass auch die jungen Kinder in der Grundschule sehr wohl in der Lage sind, mit ihren eigenen Worten und unter Bezugnahme auf situative Kontexte echte mathematische Begründungen – im Sinne eines inhaltlichen Beweises – und tatsächliche Neukonstruktionen mathematischer Begriffsaspekte vornehmen zu können.
Mit Rechendreiecken mathematisches Denken entwickeln
Anja und Silke Trümper, Universität Dortmund
Das Übungsformat "Rechendreieck" bietet viele Möglichkeiten um aktiv tätig zu werden. Die Kinder können selbstständig Strukturen und Beziehungen entdecken und mathematische Begründungen entwickeln. Hier besteht die Möglichkeit, am konkreten Beispiel zu argumentieren oder allgemeine Begründungen zu formulieren. Anhand von Interviews, die als Videodokument und Transkript vorliegen, sollen Begründungsmuster von Kindern eines 3. Schuljahres thematisiert werden.
Zahlenmauern
Frau van Arssen, Düsseldorf
Am Beispiel von Zahlenmauern wurde in einem 1. Schuljahr das schriftliche Begründen mathematischer Prozesse untersucht. Vorstellen eines Unterrichtskonzepts und Diskussion über Erfahrungen und Ideen.
Begründen im Mathematikunterricht (Klasse 3 & 4)
Prof. Dr. Jörg Voigt, Universität Münster / Dr. Ralph Schwarzkopf, Universität Dortmund
Das Argumentieren ist ein wichtiges Lernziel. Aber nicht alle Kinder empfinden ein Begründungsbedürfnis für mathematische Aussagen.
Wie entsteht im Unterricht ein Begründungsbedarf?
Wie unterstützt die Lehrerin die Kinder beim Begründen?
Wie unterscheiden sich die Begründungen der Kinder voneinander?
Zum einen untersuchten wir Begründungen im regulären Unterrichtsalltag, zum anderen versuchten wir, das Begründen im Unterricht zu stärken. Wir berichten über diese Erfahrungen und stellen Begründungsbeispiele zur Diskussion.
Analyse eines Videodokuments über “Immer 5 Zahlen” (Zahlenbuch 4, Seite 85)
Prof. Dr. Dr. Erich Ch. Wittmann, Universität Dortmund
Im Rahmen eines klinischen Interviews entdecken vier Viertklässler ein Zahlenmuster und versuchen, es zu begründen. Es stellt sich die Frage, ob und wie man diesen Prozess unterstützen kann.